Bald soll Weihnachten sein? Glaub ich nicht!
Sitze mitten in Bangkok im c.c. Cafe auf einem alten Holzstuhl. Aus der Musikbox klingt das Weihnachtslied mit dem markanten Refrain barabababam. Schlürfe frischen Litschi-Saft in Sandalen
und T-Shirt. Die Palmblätter touchieren ganz sanft den Rand meines Bildschirmes. Der Ventilator an der Decke dreht unermüdlich seine Runden. Fast wie der Fahrtwind auf der Strasse kurbelt er die
Luft umher. Der Unterschied? Auf der Strasse ist es der Wind der Freiheit.
Die Strasse führt von der Malaysischen / Thailändischen Grenze praktisch geradeaus, 1300 Kilometer entlang dem Golf von Thailand bis nach Bangkok hoch. Ab und zu eine kleine Kurve. Bereits nach 300 Kilometer ist es mir langweilig. Alles gleich. Palmen, Felder, Strasse, Reisbude, Felder, Palmen, noch mehr Strasse, Reisbude.
Am dritten Tag realisiere ich, dass im Prinzip keine Strasse langweilig sein muss. Es kommt einzig darauf an, wie ich die Strasse, diesen Abschnitt mit meinen
Gedanken fülle. Ich denke. Denke umher. Denke Bilder in meinem Kopf. Plötzlich ist sie hochspannend. Es steht mir gar nicht zu, eine Strecke als langweilig zu verurteilen. Was ich daraus mache,
das ist entscheidend. Das ist eben meine Lebensschule. Gibt es Zuhause einen langweiligen Tag, kann ich ihn füllen. Füllen mit Ablenkung. Eine Wanderung. Eine Schlittenfahrt. Essen mit Freunden.
Aber es ist wohl auch möglich einen langweiligen Tag Zuhause einfach mit Gedanken zu füllen. Probiere ich Zuhause aus.
Wie füllen Menschen ihren Alltag aus, die keine Aufgabe mehr haben? Die keine Kraft mehr haben etwas zu unternehmen. Wie langweilig kann warten sein?
Fahre in meinem Trott weiter, die Menschen schenken mir ein Lachen, ein Winken und ich bin einfach glücklich. Glücklich macht mich auch ein Thai Milk Tea mit Ice!
Herrlich. Das Ice kühlt, der Zucker pusht.
Nicht mehr weit bis Hua Hin. Was diesen Ort auf meiner Reise so besonders macht? Daniel und Simon aus der Schweiz werden um 15:00 Uhr am Quai auf mich warten. Mist,
schon Mittag und ich habe noch über 60 Kilometer vor mir. Meine Schweizer Pünktlichkeit hinkt. Heute hinkt sie um ganze zwei Stunden hinterher. Schreibe kurz eine SMS «hey ihr beiden, verspäte
mich um zwei Stunden, sorry!». Die Antwort kommt prompt: «huhu, kein Ding, wir warten hier und trinken Kaffee, gute Fahrt!». Jetzt mal ehrlich…schon nicht üblich ein solches Verständnis für zwei
Stunden Verspätung…oder?
Einmal mehr bin ich völlig fertig, keine Energie mehr, nach 120 Kilometer bin ich am Ende. Setze mich in den Schatten, schwitze, trinke und Atme. Warum sind immer
die letzten 10 Kilometer die schwierigsten? Ich weiss ganz genau, dass diese Erschöpfung morgen in der Früh bereits Geschichte ist und ich wieder parat sein werde mit neuer Energie. Es ist nicht
eine totale Erschöpfung nur eine Vorübergehende, eine momentane. Auch jetzt wieder, Gedanken bündeln, dann ist das Vorwärtskommen möglich.
Noch eine letzte Rechts-Kurve und ich sehe den Quai. Endlich. Hinter einem Jeep lugt ein Natel hervor, das müssen sie sein, sie filmen wohl die Einfahrt. Yesss es sind sie! Wir umarmen uns. WOW,
ich kann es einfach nicht glauben. Alles so surreal. Da stehen die beiden und warten auf mich. Wie im Film!
Wer die beiden sind? Zwei liebe Menschen!
Daniel kennt sozusagen meine ganze Geschichte. Das Warum. Die Gründe für die Reise. Meinen Traum. Ja, ihm habe ich wohl von meinem Leben erzählt wie sonst nur ganz
wenigen. In hier zu sehen ist einfach grossartig! Simon sehe ich zum ersten Mal. Sofort verstehen wir uns. Ein ganz sympathischer Mensch. Diese beiden Menschen sind und werden ein Teil meiner
Reise.
Es gibt Momente im Leben da entscheiden wir uns. Immer wieder, jeden Tag gibt es kleine Entscheidungen. Und dann gibt es die Grossen. Die ein Leben verändern oder
in eine andere Richtung lenken. Auf einer Wanderung entscheide ich jeden Schritt wo ich in hinsetzte. Beim Wegweiser, halte ich an, halte inne und entscheide mich für den einen oder anderen Weg.
Der letzte grosse Wegweiser war bei mir am 1. Juli 2017. Damals sagte ich mir: «Jetzt oder Nie – Ab nach Kathmandu. The Great Himalaya Trail – let’s do this!»
«Jetzt oder nie – Lebe deinen Traum» so heisst die Sendung von SRF welche meine Reise im nächsten Jahr zeigen wird.
Daniel, der Redaktor. Simon, der Kameramann. Bereits bei den Vorbereitungen und bei der Abfahrt wurden Aufnahmen gemacht. Jetzt begleiten sie mich die nächsten vier
Tage bis nach Bangkok. In Nepal wird es ein Wiedersehen geben. Ich freue mich riesig auf diese Zeit, bin ein klein wenig Nervös aber ich werde einfach mein Ding durchziehen – ja ich lebe jeden
Tag meinen Traum! Das nenne ich Realität.
Wir stärken uns bei einem Pad Thai und Fried Rice auf der Strasse Hua Hin’s. Der Austausch, das Gespräch tut gut. Zusammen Lachen ist einfach
wunderbar.
Um 06:00 Uhr sind wir alle, inklusive Fahrer und Übersetzer parat für die Fahrt. Sie fahren und filmen teilweise hinter mir, neben mir mit offener Türe oder warten
weiter vorne am Strassenrand. Manchmal höre ich das leise summen der Drohne über mir und realisiere immer wieder, huch, da ist ja noch jemand da. Stellt euch mal vor, ihr radelt seit 10 Monaten
auf den Strassen dieser Welt und plötzlich stehen zwei flotte Herren am Strassenrand und warten auf Dich! Das ist doch kaum zu glauben.
Die Sonne ist in den letzten Abendzügen und scheint ganz warm. Zeit einen Platz für die Nacht zu suchen. Klappt nicht auf Anhieb. Dafür ist der Platz im Park,
direkt am Meer ein richtiges Schmuckstück. Ein paar Hunde leisten mir Gesellschaft.
Die Kamera läuft, Daniel fragt mich ob ich in solchen Situationen nicht sehr alleine sei. Urplötzlich merke ich wie meine Augen feucht werden. Noch nie hat mich das jemand so direkt gefragt. Und
ich merke, dass dies so stimmt. Bis heute ist mir das nicht aufgefallen. Am Abend spreche ich mit Freddy, koche etwas, lausche den Geräuschen der Umgebung, schreibe ein paar Zeilen in mein
Tagebuch, lege mich hin, kann einschlafen oder eben nicht. Aber ob ich alleine bin, dieser Gedanke habe ich vergessen. Oder verdrängt?
Ja ich wollte alleine losziehen, ich bin gerne alleine, komme soweit gut mit mir klar. Doch diese Frage schiesst mir durchs Mark. Beantworte sie und kann dann die
ganze Nacht nicht schlafen. Der Hitze wegen…oder wegen den Gedanken die in meinem Kopf kreisen. Bin ich alleine oder bin ich einsam? Definitiv alleine, keineswegs einsam! Das ist ein Unterschied.
So viele Menschen denken an mich, schicken mir ihre positiven Gedanken, schreiben mir eine Nachricht, ich fühle mich zu 100% unterstützt. DANKE!
Ob ich diese Reise ohne diese Menschen tun könnte, das bezweifle ich.
Die Tage sind intensiv und lang. Was alles hinter solchen Aufnahmen steckt ist echt bewundernswert. Daniel und Simon haben eine Mortzgeduld! Finden immer den
richtigen Ton! Sie diskutieren und entscheiden. Ich beobachte ein Teamwork das mich stark beeindruckt.
Kurz vor der grossen Kreuzung vor Bangkok schiessen mir die Tränen in die Augen. Ich weiss auch nicht warum. Es kommt einfach über mich. Die beiden sind schon
weiter vorne und warten nach der Kreuzung auf mich. Ich setze mich am Strassenrand in den Dreck, lehne an die staubige Mauer und weine. Die Lastwagen donnern an mir vorbei. Der Boden vibriert.
Das ist mir zu viel. Der Verkehr ist enorm. Sechsspurig in eine Richtung. Ich habe das Gefühl ich werde überrollt. Nach ein paar Minuten fasse ich mich, hole tief Luft und trete in die Pedale.
Mir geht’s wieder gut. Emotionen liegen so nahe beieinander. Und es sind genau diese Situationen die mich stärken. Zuhause, zurück im Alltag werde ich an Probleme, an neue Herausforderungen
stossen. Dann werde ich mich genau an diese Kreuzung zurück erinnern. Inne halten, mich fassen, tief Atmen und weiter!
Kurz vor der Innenstadt wechseln Daniel und Simon auf ein Tuk Tuk um mir besser folgen zu können. Ich steure direkt den Velomech an. Muss noch das Tretlager und
Kette wechseln. Finde den Laden bei dem ich schon vor fünf Jahren war. Geschlossen. Die nette, alte Dame zeigt auf den Laden mit roter Überschrift auf der anderen Strassenseite. Tatsächlich, der
gleiche Mech! Unglaublich. Er hat heute keine Zeit aber sein Kollege könnte das bestimmt noch wechseln. Sein Arbeiter begleitet mich zu einem anderen Shop. Wirklich lieb. Ich kenne Veloläden in
der Schweiz, die reparieren nur, wenn das Velo auch dort gekauft wurde! Verstehe ich nicht. Muss ich auch nicht. Es gibt nämlich auch die anderen!
Der gute Herr wechselt keine grossen Worte aber blitzartig schraubt er schon an meinem Toutterrain. Nach einer Weile ist alles repariert und Freddy ist parat für die letzten paar Tausend
Kilometer bis nach Kathmandu. Off we go!
Wollt ihr noch eine Visa-Geschichte hören? Es ist Freitagvormittag und wir stehen vor der Nepalesischen Botschaft in Bangkok. Möchte versuchen direkt ein 150 Tages
Visum zu beantragen, falls nicht möglich, dann ein 90 Tage Visum. Der nette Nepalese bietet mir ein 90 Tages Visum an und ich kann es am Dienstag abholen. Problem: ich muss den Pass heute wieder
haben. Warum? Kann ich noch nicht verraten, aber kurzum im nächsten Blog!
Eben, frage ganz nett und mit all meinem Charme ob es wohl möglich ist das Visum Express heute noch zu machen. «Tut mir leid, Miss. Dienstag!».
Gut, ich nehme den Pass wieder mit und mache das Visum bei der Einreise. Kein Problem. Schon beinahe wieder aus der Botschaft, rennt er mir hinter her:
«Entschuldigung Miss, weil sie so nett fragten, ich mache ihnen das Visum sofort, haben sie 10 Minuten Zeit?». Grossartig! C'est le ton qui fait la musique!
Nepal Visum im Pass. Aber heute stehe ich ohne Pass da. Er ist nicht mehr in Thailand. Später mehr…
Daniel und Simon reisen wieder ab, zurück in die Schweiz wohl direkt zum Glühweinstand.
Danke euch beiden für eure grenzenlose Geduld! Danke für die intensiven und spannenden Tage. Zu sehen wie ein Team funktioniert ist einfach wunderbar. Bis bald in
Kathmandu.
So, mein Litschi-Tee ist fertig geschlürft und barabababam oder eben little drummer boy läuft schon wieder.
Suche mir noch eine frische Mango und warte auf meinen Pass. Denn ohne Pass keine Weiterreise.
Wartende Grüsse
Euer Thesi
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Heidi (Freitag, 14 Dezember 2018 08:05)
Liebe Thesi
habe endlich wieder Mal Deine Zeilen gelesen, hoch interessant. Du bist ja eine Berühmtheit und wirst im tv gezeigt, bin gespannt. Termin bei Gabriela, treffe mich vorher mit Kathrin.Habe viel über den Tod von Cecile gesprochen, bin froh das die Beerdigung vorbei ist. Sie fehlt mir ! Wünsche Dir eine super Zeit liebs Grüssli